Als erste wichtige Station auf dem langen Weg hin zur Entwicklung der essbaren Knusperhäuschen gilt die Wunschvorstellung vom Schlaraffenland.

Die Geschichte vom Schlaraffenland war allenthalben in Europa weit verbreitet. Bereits im 5. Jahrhundert v.Chr. berichtete der griechische Dichter Kratinos von einem erfreulichen Land der Zukunft, in dem man „im Turnsaal Kuchen zum Werfen” und „Semmeln ... zum Steinchenspiel” habe. Essbare Häuser, Dächer, Zäune oder Türen waren im Schlaraffenland geradezu alltäglich: „ ... die Türen und Fenster aus Zuckerkuchen und die Pfosten oder Rahmen der Türen und Fenster aus gutgewürzten Pfefferkuchen.”

Um 1800  veränderte sich die soziale Utopie von einst zur Kindergeschichte:   Das Schlaraffenland  wurde mehr  und mehr  in die Kinder- und Märchenwelt verlegt und hier war es nun vollends süß.
Ein Beispiel: die Traumreise der kleinen Marie Stahlbaum in E.T.A. Hoffmanns Weihnachtsmärchen „Nussknacker und Mausekönig” aus dem Jahre 1816. Das Eingangstor ins Zuckerwarenland hinter einer Kandiswiese bestand aus zusammengebackenen Rosinen und Zuckermandeln. Dahinter lag „Pfefferkuchenheim” und, wie dieser Ort aus­sieht, kann man sich mit etwas Phantasie leicht einigermaßen aus­malen.

Ohne Zweifel findet unser Knusperhäuschen also seine erste prägende Vorlage in den essbaren Häusern aus der Vorstellung vom Schlaraffenland. Demnach waren Hänsel und Gretel also keinesfalls die ersten, die ihren Hunger an einem Lebkuchenhaus stillten. Bereits der berühmte Nürnberger Dichter Hans Sachs träumte 1530 in seinem Schwank „Schlauraffen Land”, das „drey Meyl hinter Weynacht” entfernt liege, von Häusern „deckt mit Fladn, Leckuchen die Haußtür und Ladn, von Speckkuchen Dielen und Wend.” Man durfte an seinen Häuschen auch naschen. Soweit ist der Brauch unverändert, nur wuchs das Abgeknabberte im geträumten Schlaraffenland von alleine wieder nach.

Was die süße Utopie vom Häuschen zum Anknabbern angeht, so lebt auch diese Wunschvorstellung heute – zumindest in der Weihnachtszeit – noch weiter. Romantische und verspielte Lebkuchenhäuser, verziert mit Zuckerguss und Schleckwerk, umgeben von idyllischer Landschaft mit zuckergepuderten Tannen versüßen uns im wahrsten Sinne des Wortes die Realität. Und so ist es auch Ziel der Ausstellung im Zisterzienserstift Zwettl, eine Einstimmung auf Weihnachten zu geben und zugleich die historische Tradition dieser „gebackenen Kunst” vor Augen zu führen. Von der Knusperhaus-Entwicklung bis in die Gegenwart zu erzählen und den Besucher zugleich die gebackenen Miniaturhäuschen im Original (erstmals in der Ausstellung 1994 im Schloss Luberegg) erleben zu lassen, schafft ein neues, lebendigeres und sinnlicheres Bild der „Sache” Knusperhäuschen. Das macht den ganz besonderen Reiz dieser weihnachtlichen Präsentation aus.

Überzeugen Sie sich selbst, ob uns die Umsetzung der Geschichte des Lebkuchenhauses vom historischen Bild zum essbaren Haus zum Anfassen gelungen ist.

Das Original:        zur Erläuterung klicken Sie auf das Bild Die Umsetzung:       zur Detailansicht klicken Sie auf das Bild